Auszug aus dem sechsten Buch:


«Mein ganzes Leben lang spürte ich fortwährend die göttliche Führung. Hier möchte ich einige konkrete Ereignisse aus meinem Leben schildern, in denen diese Führung erkennbar wird.»


«EINBERUFUNG ZU AUFRÄUMARBEITEN AUF DEM DACH DES ATOMREAKTORS IN TSCHERNOBYL

Es ereignete sich im September 1986. Damals studierte ich Physik, Astronomie und Informatik für Lehramt in Barnaul. Eines Tages erhielt ich eine Vorladung vom lokalen Militärischen Rekrutierungsbüro für Aufräumarbeiten in Tschernobyl. Obwohl der Reaktorunfall bereits Ende April passiert war, dauerten die Aufräumarbeiten eine sehr lange Zeit an. Es ging um die Beseitigung von radioaktivem Müll vom Dach des Atomkraftwerks in Tschernobyl.

Aus der Vorladung ging hervor, dass das Treffen beim Militärkomitee stattfinden würde und es von dort aus noch am gleichen Tag mit dem Zug nach Tschernobyl weitergehen würde. Für die mehrtätige Reise und den Aufenthalt vor Ort für die Dauer der Arbeit am Atomkraftwerk waren lediglich eigenes Besteck und die notwendigen Hygieneartikel mitzuführen. Die Zeit reichte gerade für die Vorbereitung des Nötigsten. Am kommenden Morgen war es soweit.

Ich habe mich von meinen Nächsten für eine unbestimmte Zeit verabschiedet und machte mich auf den Weg zum Militärkomitee. Meine Miteinberufenen und ich wurden dort in einem grossen Raum für die Begrüssung und einen Vortrag versammelt. Wir waren ungefähr hundert wehrpflichtige Männer etwa im Alter von zwanzig bis vierzig Jahren. Am Schluss des Vortrags kündigte der vortragende höhere Offizier eine 15-minütige Pause an, nach der es noch einige organisatorische Hinweise geben würde, bevor wir gleich im Anschluss nach Tschernobyl aufbrechen würden.

Alle erhoben sich und gingen für die Pause Richtung Ausgang. Ich hatte seit meiner Schulzeit die persönliche Angewohnheit, erst alle anderen vorzulassen und dann als Letzter hinein- oder hinauszugehen bzw. ein- oder auszusteigen. So hielt ich es auch diesmal. Ich wartete also und beobachtete, wie alle zum Ausgang strömten, und bewegte mich selbst nur ganz langsam und in aller Ruhe vom hinteren Ende aus dorthin. Als ich am Rednerpult vorbeikam, hörte ich unwillkürlich das Gespräch eines jüngeren Mannes, wie sich zeigte ein Student, mit dem höheren Offizier mit an. Der junge Mann erkundigte sich bei dem Vorgesetzten, wie es mit seinem Studium weitergehen würde, für den Fall, dass er von den Aufräumarbeiten zurückkehren würde; dürfte er sein Studium wiederaufnehmen oder müsste er einen Teil davon wiederholen? Als ich das hörte, hielt ich inne und blieb in der Nähe stehen. Der Offizier fragte überrascht zurück: ‹Sie studieren?› Worauf der Student bestätigend nickte: ‹Ja.› - ‹Wo und was studieren Sie denn?›, wollte der Offizier wissen. Der junge Mann erklärte ihm, dass er Musik an der Staatlichen Hochschule für Kultur hier in Barnaul studiere. Ich hatte begonnen, mich wieder ganz langsam durch den Raum zu bewegen, blieb aber weiterhin in der Nähe und hörte mit wachsendem Interesse zu, da mich dieses Thema betraf, ich befand mich ja gerade ebenfalls im Studium an der Staatlichen Pädagogischen Universität Barnaul. Natürlich interessierte es mich auch, wie es gegebenenfalls nach der Rückkehr aus Tschernobyl für mich weitergehen würde. Von mir aus hätte ich allerdings aus zwei Gründen nie gefragt, erstens weil ich von meiner geliebten Grossmutter sehr geprägt war, deren einfache Lebensweisheit ‹Ich nehme das Leben immer so an, wie es kommt› mir stets in Erinnerung war und mir auch entsprach, und zweitens weil ich mich bereits zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben von oben führen liess. Ganz unerwartet hörte ich den höheren Offizier sagen: ‹Wenn Sie studieren, dann müssen Sie nicht nach Tschernobyl gehen, sondern dürfen hierbleiben und das Studium ununterbrochen fortsetzen.› Ich meinte, nicht richtig zu hören. Konnte so etwas sein? Das würde ja bedeuten, dass ich ebenfalls wegen meines Studiums nicht zu diesen Aufräumarbeiten würde gehen müssen. Ich hielt wieder an und überlegte. Im Geiste versuchte ich blitzschnell die Lage und die Möglichkeiten einzuschätzen und abzuwägen, ich blieb jedoch innerlich ganz ruhig. Der Vorfall in Tschernobyl war immerhin passiert und jemand musste sich ja um die Folgen kümmern. Durfte es wirklich sein, dass alle anderen dorthin mussten und ich einer von wenigen nicht. Zunächst wollte ich das nicht recht einsehen, ausserdem war ich bereit für diese Herausforderung. Eine kurze Zeit gab ich mich solchen Überlegungen hin, bevor ich zu einem Entschluss kam. Ich erkannte in dem vermeintlich zufälligen Aufschnappen dieses Gesprächs am Rednerpult ein Zeichen von oben. Dennoch blieb ich für die Situation offen, so dass sich das Zeichen gegebenenfalls noch weiter entfalten konnte. Ich würde nicht zu meinen Gunsten drängen, sondern einfach bezüglich meines Falls nachfragen. Tatsächlich dachte ich, fragen kostet ja nichts und das für mich Richtige würde sich ergeben. Als ich schliesslich vor den Offizier hintreten konnte, entschuldigte ich mich zuallererst, dass ich unbeabsichtigt das vorherige Gespräch mitgehört hatte, und lediglich vorbringen wolle, dass ich ebenfalls noch im Studium sei, aber selbstverständlich absolut bereit sei, mit den anderen nach Tschernobyl zu gehen, um Aufräumarbeiten zu leisten. Ich liess an meiner echten Bereitschaft keinen Zweifel. Der Offizier wirkte angesichts der Tatsache, dass sich ein weiterer Rekrutierter als Student herausstellte und trotzdem zu gehen bereit war, gleichzeitig bestürzt und innerlich erleichtert und fragte mich sofort, wo und was ich studierte. Ich erzählte es ihm, woraufhin er mir, der innerlich für beide Wege offen war, einfach sagte: ‹Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr Studium! Sie dürfen gehen und sind von den Aufräumarbeiten befreit.› Ich fühlte mich wie im Traum. Trotzdem ich auch den anderen Weg bereitwillig akzeptiert hätte, erfüllten grosse Freude und tiefe Dankbarkeit meine Seele.

Wie ich später erfuhr, starben von den je nach Quelle insgesamt 500.000 bis 1.200.000 für die Aufräumarbeiten in Tschernobyl Rekrutierten, die Liquididatoren genannt wurden, 20.000 Menschen, 90% von allen eingesetzten Arbeitern erkrankten und leiden teilweise bis heute unter den Folgen sowie viele ihrer Kinder unter Erbschäden. Das Dach des Reaktors war dabei am Gefährlichsten. Nur 45 Sekunden am Stück durfte sich ein Liquidator dort aufhalten, um mit primitivsten Mitteln hochradioaktives Material wegzuschaffen, da bei dieser Strahlungsaktivität ferngesteuerte Maschinen versagten, bevor der menschliche Organismus akut versagt hätte.

Die göttliche Führung, die mir hier mein Schicksal wies, all dem zu entgehen, hatte mir ein deutliches und auf mich zugeschnittenes Zeichen gesendet. Da ich von alleine dem Einberufungsbefehl mit allen Konsequenzen gefolgt wäre und diese Fügung als den mir vorgezeichneten Weg verstanden hätte, bedurfte es eines speziellen Zeichens, diese unbedeutend erscheinende Begebenheit eines mitangehörten Gesprächs, die sich als lebensverändernder Einschnitt entpuppte, das mich stoppte und in eine andere, für mich vorgesehene Richtung lenkte. Aus menschlicher Sicht könnte man sagen, dass sich die göttliche Führung zu diesem Zweck eine alte und zuverlässige Gewohnheit von mir zu Nutze machte, im Alltag den anderen jederzeit den Vortritt zu lassen. Nicht zu vernachlässigen ist darüber hinaus die Person des Offiziers. Es war offensichtlich von entscheidender Bedeutung, dass genau dieser Mensch zu dieser Zeit an diesem Ort zur Stelle war und kein anderer, der womöglich innerhalb seines Handlungsspielraums anders entschieden hätte.»





DAS SECHSTE BUCH IST NOCH IN BEARBEITUNG!


                              
VORANKÜNDIGUNG!
    








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