Einige Auszüge aus dem Buch von Chercheur de Vérité:


«Die Ankunft meines Vaters hat mich nicht glücklich gemacht, weil ich ihn praktisch nicht kannte. Er wiederum hatte keine väterlichen Gefühle für mich, anscheinend die grausame Zeit, in der wir alle damals lebten, und vielleicht war er im Allgemeinen eine unempfindliche Person, aber irgendwie, anstatt Zärtlichkeit zu zeigen, weil ich zu dieser Zeit noch nicht einmal sechs Jahre alt war, er einmal, weil ich lachte – und er sagte mir, ich solle aufhören zu lachen und nicht auf ihn hörte, und ich liebte es, mein ganzes Erwachsenenleben lang zu lachen – mich zwei- oder dreimal mit einem Soldatengürtel schlug. Meine Mutter sagte immer: «Philipp, in deiner Kindheit hast du die Liebe und Zuneigung deines Vaters nicht erfahren. Wenn du erwachsen bist, wirst du all die Liebe, die du nicht von deinem Vater erhalten hast, an deine Kinder weitergegeben können.» Meine Mutter und nur sie als einzige hat in mir die Saat der Güte und Menschlichkeit gesät. In der Schule habe ich mich nie schlecht benommen. Ich habe gut gelernt, und schon als Erwachsener habe ich mich immer gut mit Menschen verstanden.»


«Wenn ich gedanklich zu den Kindheitsjahren meines Lebens zurückkehre, dann fange ich mich an den Gedanken, dass es damals keine Kindheit als solche gab, und das Leben dieser Zeit kommt mir vor wie ein Albtraum. Es ist immer noch nicht klar, wie es möglich war, unter solchen Bedingungen zu leben und zu überleben, denn es gab absolut nichts, weder zu essen noch etwas anzuziehen. Von Brot habe ich erst erfahren, als meine Mutter mich nach Brot in das Kollektivwirtschaftslager schickte. Damals hat man in der Kollektivwirtschaft organisiert das Backen von Brot für die Kollektivbauern, das nach Gutscheinen ausgegeben wurden. Ich weiss nicht, wie viel es für eine Person gegeben hat, aber ich erinnere mich gut, wie ich zum Lager kam und den Geruch von Brot roch. Es war ein unglaublich angenehmer Geruch, dass viel Speichel in meinem Mund floss. Sie wogen die notwendige Menge Brot ab und anscheinend haben doch etwas weniger abgeschnitten, wieviel eigentlich sein sollte. Dann schnitten sie ein weiteres kleines Stück ab und ich nahm dieses Brot und ging nach Hause, aber der Geruch von frischem Brot und der ständige Hunger verführte mich auf dem Heimweg, dieses kleine Stück Brot zu essen. Nachdem ich meiner Mutter es erzählte, war sie so innerlich berührt, dass Tränen in ihre Augen traten, weil sie besser verstand als ich, was es einer Mutter bedeutete, ihr eigenes Kind ständig hungrig zu sehen.»


«Es gab einen weiteren Vorfall in meiner Kindheit, und es war im Frühling, mitten im März. Meine Mutter und die älteste Tochter von der Familie Reich, die Dora hatten vor morgens mit den Arbeitsochsen, Stroh vom Feld zu holen. Sie hatten ein Rind, das mit Stroh gefüttert wurde, und Stroh wurde nicht nur als Futter, sondern auch zum Heizen des Ofens benötigt. Damals wurden in den Dörfern im Winter die Hütten mit Dung, Essresten von den Schafen aus der Kolchose und mit Stroh geheizt, das es damals, Gott sei Dank, im Überfluss gab.

Sie sind früh am Morgen aufgebrochen. Das Feld war weit vom Dorf entfernt, etwa vier Kilometer. Sie sind kaum weggefahren als der Schneesturm begonnen hat, zunächst ein wenig, und dann begann er mehr und mehr stark eskalieren. Sie schafften es jedoch, das Stroh auf den Schlitten zu laden, banden es mit Bastrug und Seil. Bastrug ist eine dicke Stange, die auf Stroh gelegt wurde und dann mit dem Seil festgezogen wurde, damit es nicht unterwegs verloren gehen sollte. Nach Hause ging es gegen den Wind. Als sie nun ein Stück weggefahren waren, haben sich die Ochsen geweigert, gegen den Wind weiter zu gehen. Was tun, inzwischen begann der Schneesturm immer stärker aufzuflammen. Sie beschlossen, die Ochsen hinter den Nalygatsch zu führen. Nalygatsch ist ein Seil, mit dem die Ochsen an den Hörnern angebunden wurden. Aber nach einer Weile half es auch nicht mehr, dass sie am Seil geführt wurden. Sie beschlossen, die Hälfte des Strohs abzuladen, aber es half nichts, die Ochsen wurden ausgespannt und sie wollten sie so führen, aber sie standen einfach still und gingen nicht weiter. Und der Schneesturm ist inzwischen so stark geworden, dass man aus fünf Metern Entfernung nichts mehr sehen konnte. Sie banden die Ochsen an den Schlitten und gingen in Richtung des Dorfes. Sie liefen und liefen und plötzlich sahen sie ihre Ochsen an den Schlitten angebunden. Sie versuchten noch einmal sie mitzunehmen, aber hatten jedoch keinen Erfolg. Sie mussten sie wieder verlassen und alleine nach Hause gehen. Sie sind den ganzen Tag wie blind herumgelaufen, gefallen und wieder aufgestanden, gefallen und wieder aufgestanden. Dora war zu dieser Zeit noch ein sehr junges Mädchen und schlecht gekleidet. Meine Mutter war zum Glück mit einer Baumwollhose bekleidet. Den jungen Leuten war es peinlich, Baumwollhosen zu tragen, wofür sie fast mit ihrem Leben bezahlte. Dora fiel hin und flehte mehrmals meine Mutter an: «Tante Ernstine, lass uns hier einfach liegen bleiben, ich kann nicht weitergehen.» Aber meine Mutter hob sie auf, und sie gingen langsam weiter auf ihr Ziel zu. Und schliesslich hatte sie mich zu Hause – ihren einzigen neunjährigen Sohn – und im Schnee liegen zu bleiben, war ein sicherer Tod und so leichtfertig, und sie kämpfte hart, um jeden Preis den Weg nach Hause zu finden. Und endlich am Abend, als es dunkel wurde, hatte sich der Sturm ein wenig beruhigt. Und plötzlich sahen sie einen Baum, der als einzig und allein am Rande unseres Dorfes wuchs und waren dadurch sehr nahe an das Dorf herangekommen. Sie sind zum Haus am Dorfrand gegangen, schüttelten sich den Schnee von überall heraus und kamen am Abend nach Hause. Der Mutter ging es gut, aber Ella war schwer von der Kälte betroffen. Sie brachten sie ins Krankenhaus und schnitten ihr die Haare kahl. Sie hatte einen selbstgemachten Ring am Finger, der abgesägt werden musste, weil ihre Finger so sehr gefroren und geschwollen waren. Zu Hause warteten wir und hofften auf einen glücklichen Ausgang und Gott sei Dank hat es geklappt – sie sind lebend nach Hause zurückgekehrt.

Und in der Zwischenzeit ging Tante Maria zum Büro der Kolchose und meldete, dass die Frauen vermisst waren. Mehrere Reiter mit Gewehren gingen hinaus in den Schneesturm, um nach ihnen zu suchen, aber sie fanden nichts. Erst am nächsten Morgen, als sie schon zu Hause waren, fuhren die Männer auf das Feld und fanden die Ochsen. Durch den Schnee verweht, wurde einer von ihnen schwer von der Kälte betroffen und musste geschlachtet werden, aber die Menschen wurden gerettet.

Natürlich war mir damals noch nicht klar, was mit mir passiert wäre, wenn ich meine Mutter verloren hätte. Wenn ich mich jetzt an diese Ereignisse zurückerinnere, erschreckt es mich so, dass ich Frost auf der Haut verspüre. Aber damals habe ich nur gewartet und gehofft, dass ihr nichts passiert und meine Hoffnungen waren nicht vergebens. Gott bewahre, dass das Unglück meiner Mutter passiert wäre, und mein Vater und meine Schwester waren weit weg von uns in der Region Krasnojarsk und natürlich wäre mein Leben ganz anders verlaufen, und wer weiss, vielleicht sogar viel schlimmer, als es vor den beschriebenen Ereignissen war.»






DAS BUCH IST NOCH IN BEARBEITUNG!


                              
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